Braunfleckiger Perlmutterfalter (Boloria selene)

Braunfleckiger Perlmutterfalter (Boloria Selene)
Schmetterlingsreich
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Braunfleckiger Perlmutterfalter (Boloria selene)
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Verbreitung in Österreich

Der Braunfleckige Perlmutterfalter ist in Österreich weit verbreitet, jedoch v. a. in den Feuchtgebieten der Alpenvorländer und im Bergland zu finden. Er fehlt in ausgeräumten Agrargebieten mit Mangel an Feuchtbiotopen. In den Alpen tritt er bis in etwa 1.800 m Höhe auf (z. B. in Mooren oder feuchten Almwiesen). Größere Vorkommen sind aus dem Mühl- und Waldviertel (Moorniederungen), dem Alpenvorland (z. B. Salzach-Königseeache-Gebiet ) und der Obersteiermark bekannt. Im Osten (March-Thaya-Auen) kommt er lokal vor, im pannonischen Flachland fehlt er meist (zu trocken). Insgesamt gilt B. selene als potenziell gefährdet (Vorwarnstufe) . Seine Bestände haben in den letzten Jahrzehnten gebietsweise abgenommen, v.a. durch Entwässerung von Lebensräumen.

Bevorzugte Habitate

Boloria selene bevorzugt feuchte, blütenreiche Lebensräume . Zu seinen Habitaten zählen Feuchtwiesen(besonders Pfeifengraswiesen, Kleinseggenriede), Niedermooreverlandende MoorränderFluss- und Bachauen sowie lichte Waldränder/-lichtungen in denen Feuchtgehölze an Wiesen grenzen . Typisch ist die Präsenz der Raupennahrungspflanzen – verschiedener Veilchenarten (Viola) – in der Krautschicht  . So findet man B. selene zum Beispiel auf extensiv genutzten Streuwiesen mit Moor-Veilchen (Viola palustris) oder in Auwäldern mit feuchten Lichtungen, wo Wald-Veilchen (Viola reichenbachiana) wachsen. Häufig tritt er zusammen mit anderen Moorfalterarten (etwa dem Randring-Perlmutterfalter B. eunomia oder dem Skabiosen-Scheckenfalter) auf, die ähnliche Ansprüche haben. Ein mosaikartiges Nebeneinander von feuchten Bereichen (für die Raupen) und blütenreichen trockeneren Inseln (für Imagines) scheint optimal. Lichte Wälder mit Sumpfstellen (z. B. Bruchwälder mit Lichtungen) beherbergen ihn ebenfalls. Anders als die meisten Perlmuttfalter kommt B. selene jedoch nicht auf trockenen Magerrasen vor, sondern ist klar an feuchte Milieus gebunden.

Nektarpflanzen (Imagines)

Erwachsene Braunfleckige Perlmuttfalter besuchen gern verschiedene Blüten und zeigen sich wenig wählerisch, solange ausreichend blütenreiche Wiesen vorhanden sind . Typische Nektarpflanzen in ihren Feuchtlebensräumen sind SumpfkratzdistelTeufelsabbiss (Succisa)Wiesenknopf sowie Skabiosen. An Waldrändern saugen sie auch an Brombeerblüten oder Disteln. Auf Moorwiesen wurden sie an GilbweiderichWiesenschaumkraut und Klee beobachtet. Wichtig ist, dass vom Frühjahr bis Sommer genug blüht, da B. selene in zwei Generationen fliegen kann  (im Mai/Juni und nochmals im Juli/August). Frühfliegende Individuen nutzen Frühjahrsblüher wie Hahnenfuß oder Löwenzahn, während die Sommergeneration vermehrt Spätblüher (Disteln, Weiderich, Baldrian) braucht. Insgesamt benötigen sie vielfältige, bunte Feuchtwiesen. Da B. selene selbst bei bedecktem Himmel aktiv sein kann, sind auch lichtere Blüten im Halbschatten (Waldengelwurz, Mädesüß) für sie wertvoll.

Futterpflanzen der Raupen (L1–L5)

Die Raupen fressen in erster Linie an Veilchen (Viola) . Bevorzugt werden Sumpf-Veilchen (Viola palustris) in Moorgebieten sowie verschiedene andere Veilchen je nach Standort: in Auwäldern z. B. Hain-Veilchen(Viola riviniana) oder Wald-Veilchen (Viola reichenbachiana), auf Feuchtwiesen auch Hunds-Veilchen(Viola canina). Die Weibchen legen ihre Eier meist einzeln an der Unterseite von Veilchenblättern ab oder in der Streuschicht nahe der Pflanze. Die Raupen sind dunkelbraun bis schwarz und tragen helle Flecken und Stacheln. Sie schlüpfen nach kurzer Zeit (wenige Tage) und beginnen sofort zu fressen . Die Art überwintert als halbwüchsige Raupe: nach einigen Häutungen suchen die Raupen im Herbst ein geschütztes Versteck (z. B. in Moospolstern oder unter Laub) und verharren dort bis zum Frühjahr . Im Frühling setzen sie ihre Entwicklung fort, verpuppen sich dann an bodennaher Vegetation (z. B. an Grashalmen oder Pflanzentrieben). Die Puppe hängt oft frei und ist bräunlich mit silberglänzenden Flecken (daher der Name “Perlmutterfalter” aufgrund der schimmernden Unterseite der Flügel, was sich auch an der Puppe andeutet). In günstigen Lagen entwickelt sich pro Jahr eine zweite Generation aus den überwinternden Raupen, sodass im Hochsommer nochmals Raupen auftauchen können. In kühleren Mooren bleibt es oft bei einer Generation (univoltin). Die Präsenz geeigneter Veilchen in ausreichender Anzahl und feuchtem Mikroklima ist der limitierende Faktor: Fehlen diese durch intensive Nutzung, kann sich keine Population halten.

Gefährdung und aktuelle Bestandssituation

B. selene wird als Vorwarnstufe geführt , d.h. er ist noch nicht unmittelbar in Österreich vom Aussterben bedroht, aber seine Lebensräume schrumpfen. Lebensraumverlust durch Entwässerung und Nutzungswandel ist die Hauptgefahr . Viele Niedermoore und Feuchtwiesen wurden trockengelegt oder in intensiv genutztes Grünland überführt. Dadurch verschwanden Veilchen und strukturreiche Feuchtwiesen zugunsten artenarmer Rasenschläge. Intensive Landwirtschaft (z. B. häufige Mahd, Gülledüngung) wirkt sich negativ aus, weil Veilchen konkurrenzschwach sind und in gedüngtem, dichtwüchsigem Grünland verschwinden Flächenversiegelung und Siedlungsausbau in Tallagen vernichten zusätzlich Habitat (z. B. Verbau von Quellmooren). Als weitere Gefährdung kommt der Klimawandel hinzu: Austrocknende Feuchtbiotope im Sommer können dazu führen, dass die Eier/Raupen vertrocknen oder die Veilchen einziehen . In Mooren bedeutet weniger Niederschlag auch weniger Sumpfveilchen – damit weniger Raupennahrung. Pestizide sind in Wäldern selten ein Problem, jedoch im Grünland können Herbizide (gegen “Unkräuter”) Veilchen dezimieren . Insgesamt sind Rückgänge besonders dort dokumentiert, wo früher traditionelle Streuwiesen jetzt entweder verbuschen (ohne Nutzung) oder entwässert und intensiviert wurden. Dennoch gibt es noch einige stabile Vorkommen, etwa in Schutzgebieten (Naturpark Heidenreichsteiner Moor, Moorflächen im Nationalpark Kalkalpen etc.). Diese gilt es zu erhalten, zumal B. selene eine Zeigerart intakter Feuchtlebensräume ist . Sein Verschwinden deutet meist auf eine Verarmung des Ökosystems hin.

Maßnahmen zur Wiederansiedlung und Züchtung

Da der Braunfleckige Perlmutterfalter noch relativ verbreitet ist, steht die Lebensraumverbesserung im Fokus. Eine aktive Wiederansiedlung würde sich anbieten, wenn ein ehemals besiedeltes Moor nach Renaturierung wieder passend ist und aus der Umgebung keine natürliche Zuwanderung erfolgt. In so einem Fall könnte man versuchen, Raupen oder Puppen aus nahegelegenen Populationen umzusiedeln. Die Zuchtvon B. selene ist möglich, aber aufwendig: Veilchen als Futter müssen in Töpfen kultiviert werden, was deren Blätter weich genug für Raupen hält. Weibchen legen in Gefangenschaft zögerlich Eier, aber es kann gelingen, wenn man ihnen natürliche Bedingungen simuliert (hohe Luftfeuchte, Tageslicht). In Zuchtprojekten (etwa in Großbritannien, wo ähnliche Boloria-Arten wiederausgesiedelt wurden) hat man Eier im Labor schlüpfen lassen und Raupen auf Veilchenblättern hochgezogen, um sie vor der Überwinterung in geeigneten Habitaten freizulassen. In Österreich sind keine spezifischen Zuchtprogramme für B. selenebekannt – vorrangig, weil es zuerst genügt, das Habitat zu schützen; die Falter können durch ihre Mobilität (sie fliegen durchaus einige Kilometer entlang von Feuchtbiotopen) neue Flächen erreichen. Sollte dennoch Zucht betrieben werden (z. B. zu Forschungszwecken oder für einen kleinen isolierten Bestand), wäre darauf zu achten, die Raupen kühl zu überwintern (z. B. im Außenklima) und sie auf originalgetreuen Substraten zu halten, damit die empfindlichen Stadien keinen Pilzinfektionen erliegen. In Summe: Wiederansiedlung kann erwogen werden, ist aber meist unnötig, wenn Vernetzung funktioniert.

Habitatmanagement

  • Konkrete Maßnahmen: Vorrangig ist der Erhalt von Feuchtwiesen und Mooren . Konkret: Keine weitere Entwässerung, stattdessen wo möglich Wiedervernässung. Bestehende Wiesen mit Viola-Vorkommen sollten extensiv bewirtschaftet bleiben (1–2 Schnitte pro Jahr, keine Düngung) . Falls eine Feuchtbrache droht zuzuwachsen, sind Entbuschungsaktionen nötig: Entfernen von aufkommenden Weiden, Birken oder Erlen, damit die Lichtverhältnisse für Veilchen erhalten bleiben. Förderung der Raupennahrungspflanze: In neu renaturierten Flächen kann es sinnvoll sein, Veilchen einzubringen (z. B. Moorveilchen aus Überschussbeständen verpflanzen). Da Veilchen teils von dichten Grasnarben verdrängt werden, kann eine moderate Oberbodenabtragung oder Bodenverwundung helfen, offene Stellen für Veilchen zu schaffen. In Wäldern an Mooren sollten Waldränder nicht zu dicht werden – bei Bedarf einzelne Randbäume entnehmen, um Licht auf die Moorwiese fallen zu lassen. Und generell: Pestizidverzicht in und um Feuchtbiotope, damit weder Raupen noch Falter geschädigt werden. Wenn möglich, Pufferzonen um wichtige Moore einrichten (z. B. 50 m Pufferstreifen, der nicht gedüngt wird), um Nährstoffeinträge zu reduzieren.
  • Zeitplan: Mahd von Feuchtwiesen am besten spät und staffelweise. Für B. selene ist eine späte erste Mahd (~Ende Juli) ideal, da dann die meisten Veilchen verblüht haben und die Frühjahrsraupenphase vorbei ist. Ein zweiter Schnitt (falls nötig) erst im Oktober, damit im August/September genug Blüten stehen. Alternativ einmalige Mahd pro Jahr nach dem 15. August (wie in Streuwiesen traditionell üblich) – diese Methode ließ die Art früher gut gedeihen. Entbuschung am Moor führt man im Winter (Frost) durch, damit der Boden geschont wird und keine Raupen aktiv sind. Wiedervernässungsmaßnahmen (z. B. Staue setzen) möglichst im Herbst, um im Folgejahr den Wasserhaushalt verbessert zu haben. Monitoring: Im Mai/Juni die Falterzahl erheben (Peak der ersten Generation) und im Juli/Aug Raupen suchen (schwierig, da gut getarnt, eher Eisuche an Veilchenblättern im Spätsommer versuchen). So kann man Jahr für Jahr verfolgen, ob die Population wächst oder schrumpft.
  • Materialbedarf: Für Wiesenmahd: Balkenmäher oder (bei kleinen Mooren) Handsense mit Blattsense (um im nassen Terrain besser hantieren zu können). Rechen zum Zusammenziehen des Mähguts, Schubkarren oder Tragetücher zum Abtransport aus Moor (ggf. mittels Holzbohlen Stege legen, um das Moor nicht zu zertreten). Entbuschung: Astschere, Motorsäge, Freischneider mit Sägeblatt. Falls ein Moor stark entwässert ist: Material zum Stauen, etwa Lehm oder Torfballen, Holzbretter für einfache Wehre in Gräben. Eventuell Schläuche und Pumpen, wenn man Wasser umleiten möchte. Für Veilchen-Förderung: Saatgut von Veilchen ist schwierig zu handhaben; besser ist Verpflanzung – hierzu Spaten und Pflanzschaufeln. Gegebenenfalls können kleine Schutzgitter nötig sein, wenn Fraßdruck durch Schnecken hoch ist (Veilchenanpflanzungen durch Schneckenzaun schützen).
  • Notwendige Maschinen oder Geräte: Für großflächige Wiedervernässung: Bagger zum Verschließen größerer Entwässerungsgräben. Sonst sind schweres Gerät eher zu vermeiden in Mooren. Ein geländegängiges Fahrzeug (Quad mit Anhänger oder Motorschubkarre) kann helfen, Schnittgut abzutransportieren, ohne zu viel Trittschaden. Wo Mahd maschinell schwierig ist, kann man Beweidung erwägen: z. B. mit leichten Rinderrassen oder Wasserbüffeln, die Moorwiesen begehen können – dann braucht man Zäune und ggf. Viehtränken. Allerdings muss man sicherstellen, dass Veilchen und Raupen nicht komplett abgefressen werden; daher Beweidung erst nach der Hauptraupenzeit und in niedriger Dichte.
  • Hinweise zur Umsetzung in der Praxis: Oft liegen Vorkommen von B. selene in Schutzgebieten. Dort sollten Managementpläne die oben erwähnten Pflegeschritte festschreiben. Wichtig ist die Koordination der Mahd: So könnte man z. B. in einem Moorgebiet die Hälfe der Wiesen im August mähen, die andere Hälfte im Folgejahr – so bleibt immer ausreichend Habitat mit Eiern/Raupen unberührt. Auch eine Zusammenarbeit mit Landwirtenist möglich: In einigen Gegenden mähen Bauern gegen Entgelt spät im Jahr Moorwiesen (um Einstreu zu gewinnen) – diese Tradition wieder aufleben zu lassen, hilft den Faltern enorm. Da B. selene zwei Generationen haben kann, sollte man versuchen, zumindest kleine Teilflächen bis September stehen zu lassen, damit auch die zweite Generation Raupen Entwicklungszeit hat. In kühlen Mooren, wo es nur eine Generation gibt, ist es einfacher (Mahd nach der Flugzeit). Öffentlichkeitsarbeit: Der Braunfleckige Perlmutterfalter ist weniger auffällig als große Edelfalter, aber man kann ihn als Indikator für “Gesundes Moor” darstellen . Exkursionen im Moor mit Hinweis auf diesen Falter können Verständnis schaffen, warum z.B. “die Wiese so spät gemäht wird” oder “das Gestrüpp entfernt wurde”. In der Regel profitieren vom gleichen Management auch andere Rote-Liste-Arten (wie Boloria eunomia, siehe nächstes Kapitel) – so erzielt man Synergieeffekte. Ein Indikator für gelungenes Management wäre z.B., wenn im Jahr nach der Spätmahd viele Veilchen blühen und dann vermehrt Eigelege von B. selene gefunden werden. Insgesamt sind die Maßnahmen für B. selene prototypisch für Feuchtwiesenschutz – sie sichern gleichzeitig Hochmoor-Bläulinge, Sumpfschrecken und andere Moorbewohner.

Wirkung der Maßnahmen

  • Eier werden bevorzugt an den Stängeln oder in Bodennähe von Sumpfveilchen (Viola palustris) abgelegt. Diese wachsen in nährstoffarmen, dauerhaft feuchten Wiesen mit lückigem Aufwuchs.
  • Raupen überwintern meist im Grasfilz oder in Bodennähe – eine zu frühe oder zu intensive Mahd zerstört ihre Quartiere.
  • Falter benötigen blütenreiche, offene Feuchtstandorte mit strukturreicher Vegetation – Disteln, Mädesüß, Wiesenknopf und ähnliche Pflanzen werden als Nahrungsquelle angenommen.
  • Sehr empfindlich gegenüber Nutzungsänderung: Schon kleinere Mahdverschiebungen oder Entwässerungsmaßnahmen können lokale Populationen auslöschen, da die Art sehr standorttreu ist.
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